Wenn in Bottrop „Mütter“ demonstrieren, sind sie häufig männlich, haben Bierbauch und Glatze. Am Sonntag, den 04. März 2018 verbreiteten unter dem Motto „Mütter gegen Gewalt“ rund 1.000 Demonstrationsteilnehmer*innen rassistische Parolen. Die Gegenproteste fielen erschreckend schwach aus. Für uns ist klar: Wir müssen uns die Straßen zurückholen und verhindern, dass sich die ungestörte Verbreitung von sexistischen und rassistischen Ideologien zu einer gesellschaftlich anerkannten Normalität entwickelt.

Als wir um kurz nach 12 auf dem Kirchplatz der Cyriakuskirche in Bottrop ankamen, deutete noch nicht viel darauf hin, dass hier in 90 Minuten eine riesige Kundgebung mit anschließender Demonstration rechter Gruppierungen stattfinden sollte. Zwar waren bereits einige Fahrzeuge der Polizei vor Ort, allerdings wirkten die Beamten sehr entspannt, bauten in aller Ruhe ein paar Hamburger Gitter auf dem Platz auf, die offenbar später die Veranstaltung der Rechten und die Gegenkundgebung voneinander trennen sollten. Welche Seite der Abtrennung unsere war? Wir wussten es nicht. Also setzten wir uns erst einmal auf eine Bank auf dem Kirchplatz und beobachteten weiter das Geschehen. Schließlich wurden wir von der Polizei darum gebeten uns hinter die gerade erst fertig aufgebaute Absperrung zu begeben. Wie sich dann herausstellte im genau richtigen Moment – gerade hinter der Absperrung angekommen konnten wir beobachten, wie eine Gruppe von ca. 100 glatzköpfigen, Bier saufenden und durch ihre Kleidung der Hooligan-Szene zuzuordnenden Männern auf der anderen Seite des Kirchplatzes ankam. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich auf unserer Seite nur eine Handvoll Menschen und es war nicht zu erahnen, dass überhaupt eine Gegenkundgebung stattfinden würde. Ein absolut gruseliges Gefühl!

Echter Feminismus ist antirassistisch

Zentraler Inhalt des Aufrufs zur Veranstaltung „Mütter gegen Gewalt“ war die angeblich größer werdende Zahl gewalttätiger Übergriffe auf Frauen, die vermeintlich durch zugewanderte Migranten verübt würden. Auf zahlreichen, einschlägig bekannten rechtsradikalen Internetplattformen wurde bundesweit und massiv für die Versammlung mobilisiert. Auch wurde im Vorfeld ein YouTube-Video mit einem Interview der Hauptrednerin, die unter dem Namen „Mona Maja“ bekannt ist, wegen Hatespeech gelöscht. Es war also von vornherein klar, dass unter dem Deckmantel angeblich feministischer Positionen Stimmung gegen geflüchtete Menschen gemacht und antimuslimischer Rassismus verbreitet werden sollte. Doch echter Feminismus ist antirassistisch! Daher kamen wir als LINKE. Essen dem Aufruf des Bottroper „Bündnisses gegen Rechts“ , unter anderem bestehend aus Gewerkschaften, SPD, CDU, Grünen, Linken und DKP, zu einer Gegenkundgebung nach. Die Anmeldung der Versammlung erfolgte durch die IG BCE. Mit etwa 30 Aktiven aus Essen setzten wir ein klares Zeichen gegen diese pseudofeministische Tarnveranstaltung, gegen Rassismus und Patriarchat.

Ungefähr 20 Minuten vor Kundgebungsstart fanden sich immer mehr Protestierende ein und eine Bühne sowie Musikanlage wurden aufgebaut. Als es dann losging hatten sich ungefähr 300 Menschen versammelt. Doch der Protest, der auf die Beine gestellt wurde, war leider nicht sehr laut und bunt. Anstatt die Versammlung der Rechten mit lauter Musik, lautstarken Sprechchören und guter Sichtbarkeit zu stören und deutlich zu machen, dass Rechte sowohl in Bottrop als auch anderswo nicht willkommen sind, war die Moderation zaghaft und der Fokus auf die eigene Kundgebung gelegt. Ein echtes Gefühl von „Gegen“-Protest kam nicht auf. So hatte die Organisation des Bündnisses unserer Ansicht nach gravierende Schwächen: Parteisymbole und -fahnen waren verboten, es gab kaum Transparente und es wurden lediglich ein paar Luftballons mit lahmen Sprüchen verteilt. Auch waren Reden und Musik in den vordersten Reihen des Gegenprotests kaum zu hören und die Anlage fiel regelmäßig aus. Erschreckend: Während der gesamten Veranstaltung war es möglich sich frei zwischen den beiden Kundgebungen hin und her zu bewegen, ohne kontrolliert oder durchsucht zu werden. Wenn am Tag zuvor bis zu 4.500 Rechte und Nazis durch Kandel toben, muss auch im Ruhrgebiet eine solche Veranstaltung ernster genommen werden. Dass es für bunten und lauten Protest Potential gibt, auch in Bottrop, zeigte eine kleinere Gruppe, mit der wir ordentlich Stimmung machten. Jedoch wurde uns schnell der Eindruck vermittelt, dass wir durch unseren entschlossenen und lauten Protest in vorderster Reihe den Volksfestcharakter der „Gegenproteste“ störten und wir wurden mit Nachdruck angewiesen mehr Abstand zur Absperrung zu halten. We are not sorry! Denn unsere Überzeugung wird immer sein: Es darf keinen Ort geben, an dem ungestört sexistische und rassistische Parolen verbreitet werden können. Wir werden uns dem auch weiterhin in den Weg stellen.

Auf jeden Antifaschisten kamen drei Rechte

Rechte auf einer Kundgebung in Bottrop

Eine der wenigen Frauen auf der Veranstaltung: Kanzlerin Merkel. © DIE LINKE. Essen

1.000 Rechten standen nun nur 300 Protestierenden auf unserer Seite der Absperrung gegenüber. Dafür, dass die Veranstaltung unter dem Namen „Mütter gegen Gewalt“ lief, ließen sich für uns maximal bis zu zehn Prozent Frauen*anteil auf der Gegenseite ausmachen. Dagegen befanden sich unter den Anwesenden zahlreiche einschlägig bekannte Gesichter der rechten Szene. Zum Beispiel nahmen Claus Cremer, der Landesvorsitzende der NPD, Michael Brück, stellvertretender NRW-Landesvorsitzender der Partei Die Rechte, Melanie Dittmer, ehemaliges Mitglied der Jungen Nationaldemokraten (JN), Pro NRW und Dügida, Guido Reil von der AfD sowie zahlreiche Vertreter*innen der Identitären Bewegung und weiteren rechtsradikalen Gruppierungen an der Veranstaltung teil. Zudem war eine große Gruppe Hooligans anwesend. Eine gefährliche Mischung, wie wir finden. Spiegelreflexkameras mit Teleobjektiven filmten und fotografierten fortwährend die Gegenproteste. „Widerstand! Widerstand! Ahu! Ahu!“ war eine der erschreckenden Parolen, mit denen auch von der Redner*innenbühne aus die wutgeladene Stimmung weiter aufgeheizt wurde. Erschreckend zudem, dass trotz der Anwesenheit von Bürgerlich-Konservativen, alle mitgrölten und damit die von der Identitären Bewegung bekannten Parolen übernahmen. Auffällig war, dass trotz der von Männern dominierten Versammlung nur Frauen an die Mikros gelassen wurden, um den Schein einer an Frauenrechten interessierten Veranstaltung zu wahren.

Rechter „Feminismus“ kommt auch ohne Frauen klar

Instrumentalisierungskampagnen von AfD und Co. und die Forderung nach dem Schutz „unserer“ Frauen vor Übergriffen durch „kriminelle Migranten“ sind keine Neuheit. So ist es die Regel, dass alle, die dagegen argumentieren, Beispiele aus den Medien an den Kopf geworfen bekommen, bei denen Migranten als Täter bekannt sind. Dann folgt die Verdächtigung die Geschehnisse relativieren zu wollen. Die aktuelle Kampagne bezieht sich auf einen Vorfall in der pfälzischen Kleinstadt Kandel, bei dem ein junger Mann seine 15-jährige Freundin erstach, wobei der Skandalwert für die rechte Szene nicht in der Tat an sich lag. Für sie war die Tat Ausdruck der sogenannten „Islamisierung“ von Deutschland und der damit angeblich einhergehenden Zunahme von Gewalt gegen Frauen. Doch sexualisierte Gewalt ist im Westen keine Neuerscheinung, auch wenn Rechte dies seit Jahren leugnen. Gewalt gegen Frauen ist keine Importware, sondern gehört leider auch in unserem „christlichen Abendland“ zum Alltag. Die „Feministen“ der AfD entziehen sich bewusst dem ernst gemeinten Diskurs um sexualisierte und häusliche Gewalt und instrumentalisieren das Thema für ihre rassistische Hetze gegen Geflüchtete und Muslime. Für uns LINKE ist es daher essentiell, ein Bewusstsein für Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen und zu schärfen und klarzumachen, dass die Probleme nicht „importiert“ werden, sondern tief in unserer Klassengesellschaft verankert sind. Eine tatsächliche Freiheit der Frau kann nur auf solidarischem, internationalistischem und antirassistischem Wege, für und mit Frauen erkämpft werden. Rechter „Feminismus“ kommt auch gut ohne Frauen klar!

Rechte demonstrieren in Bottrop

Instrumentalisierung des Vorfalls in Kandel. © DIE LINKE. Essen

Nach endloser Selbstbeweihräucherung verließen die „Mütter“ den Kirchplatz und brachen zu einem Demonstrationszug quer durch die Bottroper Innenstadt auf. Wer mit einer entsprechenden Gegendemo gerechnet hat, wurde enttäuscht. So konnten 1.000 Rechte ungestört und ohne Widerspruch ihre widerlichen Parolen in der gesamten Stadt verbreiten. Und ganz im Gegenteil wurde sogar die Gegenkundgebung der Antifaschist*innen kurz darauf aufgelöst. Der Anmelder der Kundgebung von der IG BCE teilte den verbliebenen Teilnehmer*innen mit, dass sie nun nicht mehr unter dem Schutz des Versammlungsrechts stünden und den Kirchplatz unverzüglich verlassen müssten. Auch die Polizei forderte uns auf, uns auf den Weg nach Hause zu machen. Unser Hinweis, dass in der gesamten Stadt Kleingruppen von Hooligans patrouillierten und nach Teilnehmer*innen unserer Kundgebung Ausschau hielten, interessierte weder den Anmelder noch die Polizei. Wegen der erheblichen Gefahr von gewalttätigen Übergriffen entschieden wir uns dazu, die wenigen vorhandenen Autos leer nach Hause fahren zu lassen, damit eine möglichst große Gruppe geschlossen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück nach Essen fahren würde. Andere verbliebene Kundgebungsteilnehmer*innen entschieden sich stattdessen dazu, eine spontane neue Kundgebung anzumelden, um den Platz nicht verlassen zu müssen. Die Proteste wurden dann jedoch durch die Polizei in eine Seitenstraße verdrängt, sodass es auch auf dem Kirchplatz keinerlei sichtbaren Protest mehr gab, als der rechte Mob nach seiner Demo zur Abschlusskundgebung zurückkam. Der Rückweg gestaltete sich für uns, wie bereits im Vorfeld erwartet, nicht ungefährlich. Eine kleine Gruppe der rechten Demoteilnehmer*innen entdeckte uns, zückte die Handys und kurz darauf tauchte eine Gruppe von etwa 50 breitgebauten und offensichtlich gewaltbereiten Hooligans in unserer Nähe auf. Erst im letzten Moment stelle sich die Polizei in den Weg und verhinderte so das Schlimmste.

Auch die Außenwirkung rund um die Veranstaltung ist erschreckend. So gab es im Vorfeld kaum mediale Präsenz seitens des Bündnisses. Es erschien zwar ein Artikel in der WAZ und ein paar kleinere weitere Ankündigungen des Demonstationsgeschehens in der Lokalpresse, jedoch war die Mobilisierung für die Gegenproteste viel zu schwach. Es war beispielsweise nicht einmal eine Facebook-Veranstaltung des Bündnisses zu finden. Der Fokus wurde offenbar auf Mundpropaganda und lokale Mobilisierung gelegt. Ganz anders agierten die Veranstalter der Gegenseite. Es fand eine bundesweite Mobilisierung über diverse rechte Internetblogs, Zeitungen, wie zum Beispiel die Junge Freiheit, YouTube, Facebookseiten und -veranstaltungen von rechtsextremen Gruppierungen und verschiedenen Parteien aus dem rechten Spektrum statt. Auch waren die zu den Demonstrationen gehörigen Twitter-Hashtags maßgeblich von rechts dominiert. Zudem gab es eine direkte Mobilisierung über die Veranstaltung am Vortag in Kandel.

Kein Fußbreit für Rassismus und Faschismus

Die Rechten feiern ihre Kundgebung als Erfolg, durch ihren Durchbruch im Ruhrgebiet endlich im Westen angekommen zu sein. Wir müssen uns also darauf gefasst machen, dass weitere solche Veranstaltungen in noch größerem Ausmaß auf uns zukommen werden. Dem müssen wir etwas entgegensetzen! Es ist essentiell Strukturen für einen vielschichtigen, antirassistischen Gegenprotest zu schaffen. Grundlage dafür muss ein breit aufgestelltes Bündnis sein, das unterschiedlichste politische und gesellschaftliche Kräfte in sich vereint, ohne dabei auf ein klares Profil zu verzichten. Gemeinsame Grundhaltung muss sein, dass Rassisten und Frauenfeinde, egal unter welchen Bedingungen, an Ort und Stelle mit Protesten konfrontiert werden müssen. Wir setzen auf eine bunte Mischung verschiedenster Gegnerinnen und Gegner von Diskriminierung und Ausgrenzung und auf die dadurch gefundene gemeinsame Basis mit unterschiedlichsten Protest- und Aktionsformen. Ziel muss es sein an jedem Ort Aufklärungsarbeit zu leisten und ein Klima zu schaffen, das die Rassisten vom Rest der Bevölkerung isoliert und ihnen deutlich macht, dass sie nicht erwünscht sind. Konsens muss sein: Kein Fußbreit für Rassismus und Faschismus!

Für uns als Linke ist es dennoch wichtig die gängigen rot-grünen Erklärungsmuster des Rassismus vom Kopf auf die Füße zu stellen: Rassismus fällt nicht vom Himmel oder entsteht spontan in der Bevölkerung, sondern wird von „Oben“ geschürt. Er dient der Ablenkung von sozialer Ungerechtigkeit und so dem Machterhalt der herrschenden Klasse. Darum muss der Kampf gegen Rassismus, Sexismus und andere Mechanismen der Unterdrückung auch immer internationalistisch und antikapitalistisch sein.

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