1. Unterbringung & Wohnsituation

Die Corona-Pandemie zeigt einmal mehr, dass die Unterbringung geflüchteter Menschen in großen

zentralen Gemeinschaftsunterkünften problematisch ist. Das Infektionsrisiko ist in Wohnheimen ohne separierte Wohn-, Ess- und Sanitärbereiche erwiesenermaßen erhöht. Ganz grundsätzlich sollten Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder dem Konstrukt der Bleibeperspektive ein Recht auf eine Wohnung haben. Auf dem privaten Wohnungsmarkt werden Geflüchtete allerdings diskriminiert, etwa dadurch, dass Mietverträge teilweise nur mit langfristig Aufenthaltsberechtigten geschlossen werden.

a) Wie möchten Sie Geflüchteten zu Ihrem Recht auf eine Wohnung verhelfen?
b) Welche lang- und mittelfristigen Lösungsansätze hat Ihre Partei für die kommunale Unterbringung Geflüchteter?
c) Knüpfen Sie den Auszug aus einem Übergangswohnheim an Bedingungen, wie z.B. die „Bleibeperspektive“? Wenn ja, an welche?
d) Welche Maßnahmen sollten kurzfristig ergriffen werden, um Geflüchtete vor einer Infektion in den Übergangsheimen zu schützen?
e) Wie kann die Diskriminierung Geflüchteter auf dem Wohnungsmarkt bekämpft werden?

a) Auch wir sehen es problematisch, dass Geflüchtete so schwerer an Wohnungen kommen. Wir brauchen hierfür eine Koordinationsstelle, die Geflüchteten hilft Wohnungen direkt zu vermitteln. Darüber hinaus muss der kommunale Wohnungsbau gefördert werden und Geflüchtete müssen von der Stadt bezahlte Dolmetscher:innen zu den Gesprächen mitnehmen können.

b) Schon mittelfristig dürfen Gemeinschaftsunterkünfte nur noch in absoluten Ausnahmen das Mittel der Wahl sein und das auch nur für einen kurzen Zeitraum. Geflüchtete müssen dezentral über ganz Essen verteilt werden, am Besten in Wohnungen, die direkt von der Stadt angemietet werden. Zudem müssen die Entscheidungsverfahren deutlich beschleunigt werden, damit ein langfristiger Aufenthalt organisiert werden kann.

c) Nein, wir knüpfen den Auszug aus Wohnheimen an keine Bedingungen. Alle Geflüchteten sollen die

Möglichkeit haben dezentral untergebracht zu werden. Für uns als DIE LINKE. gilt ohnehin „kein Mensch ist illegal“, weswegen wir auch mit Fragen von Bleibeperspektive auf Bundesebene Schluss machen wollen. Alle die hierbleiben möchten, sollen hierbleiben dürfen.

d) Übergangswohnheime sollen weniger stark belegt werden. Zusätzlich dazu soll ausreichend Desinfektionsmittel bereitgestellt werden und Informationen zu Covid-19 müssen in allen Sprachen der Bewohner:innen zur Verfügung stehen. Sollte es zu Infektionen in einem Übergangswohnheim kommen, darf nicht das ganze Wohnheim unter Quarantäne gestellt werden. Betroffene müssen einzeln isoliert werden.

e) Die Diskriminierung Geflüchteter auf dem Wohnungsmarkt findet doppelt statt. Zum einen werden sie häufig schon wegen ihres Namens diskriminiert. Menschen mit „nicht-deutschen Namen“ haben es sehr viel schwerer einen Job und eine Wohnung zu finden. Des Weiteren führt der fehlende Aufenthaltstitel zu Problemen. Auf kommunaler Ebene sind unsere Möglichkeiten leider begrenzt, aber die Etablierung einer Koordinationsstelle zur Hilfe bei der Wohnungssuche kann das Problem teilweise entschärfen.

2. Anhaltende Missstände bei der Ausländerbehörde

Seit Jahren herrschen bei der Essener Ausländerbehörde unhaltbare Zustände. Die Behörde ist für Geflüchtete und Migrant*innen nicht zugänglich. Termine sind, nicht erst seit der Corona- Pandemie, mit immensen Wartezeiten verbunden. Für Beratungsstellen ist die Ausländerbehörde kaum zu erreichen.

a) Welche Maßnahmen möchten Sie ergreifen, um die Missstände zu überwinden?

b) Wie kann die Ausländerbehörde kurz- und mittelfristig umstrukturiert werden, um sie wieder arbeitsfähig für die Anliegen der Geflüchteten und Migrant*innen zu machen?

a) Das Ausländeramt braucht dringend mehr Personal, um die Arbeitsbelastung der einzelnen Mitarbeitenden zu reduzieren und um sowohl für Geflüchtete und Migrant:innen, als auch für Beratungsstellen mehr Zeit zu haben. Außerdem sollen Abschiebungen ausgesetzt werden. Das System der Kettenduldungen spielt auch hier wieder in die Arbeitslast der Behörde. Hier könnte wie von uns auch schon gefordert der Spielraum großzügiger ausgenutzt werden und so die Duldungsdauer von 3 Monaten auf ,zum Beispiel, 1 Jahr verlängert werden. Dieses Vorgehen würde die Arbeitslast für die Mitarbeiter:innen aber auch die Betroffenen erheblich senken. Die Mitarbeiter:innen sollten auch in Richtung einer größeren Willkommenskultur geschult werden und auch ihnen klar gemacht werden, dass Spielräume ausgereizt werden können, sodass wir dort eventuell die starke Fluktuation beim Personal überwinden können.

b) Es gab bereits Umstrukturierungen, die wir jedoch für gescheitert halten. Für uns gilt es Geflüchtete und Migrant:innen in den Mittelpunkt zu stellen. Die Ausländerbehörde soll für die Anliegen der Migrant:innen und Geflüchteten da sein und sie sollen in den Mittelpunkt gestellt werden. Visumsverlängerungen müssen schneller und unbürokratischer geschehen. Es kann nicht sein, dass Menschen kein Visum mehr haben, weil die Ausländerbehörde Monate für die Bearbeitung braucht. Das bisherige Essener Modell muss auch hier ausgeweitet werden um Bürokratie abzubauen und mehr Raum für die Anliegen der Mitgrant:innen zu schaffen. Abschlüsse und Qualifikationen müssen einfacher anerkannt werden und Kinder von Geflüchteten endlich ohne Probleme registriert werden. Wir wollen außerdem prüfen, ob Aufgaben des Ausländeramts an das Bürgeramt delegiert werden können.

3. Perspektive für Kettengeduldete?

Nach wie vor leben über 2.000 Menschen in Essen in Duldung, zahlreiche von ihnen in jahrzehntelanger Kettenduldung. Kinder „erben“ den Duldungstatus ihrer Eltern. Bestehende aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten, wie z.B. über Bleiberechtsregelungen, werden nur unzureichend genutzt.

a) Welche Möglichkeiten sehen Sie, um Kettenduldungen zu vermeiden?

b) Werden Sie Konzepte wie das Essener Modell weiterentwickeln und ausbauen, um das Problem der Langzeitgeduldeten langfristig zu lösen?

c) Werden Sie die Etablierung einer kommunalen ausländerrechtlichen Beratungskommission sicherstellen, in der Nichtregierungsorganisationen, Verwaltung und Politik auf Augenhöhe zusammenarbeiten?

a) Die Ausländerbehörde soll die § 18a AufenthG (Fachkräfte mit Berufsausbildung) und § 25a AufenthG (Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden) großzügig auslegen, um so möglich vielen Menschen zu ermöglichen dauerhaft bleiben zu können. Ebenso soll der § 25b AufenthG (Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration) ausgelegt werden. Darüber hinaus muss das Kölner Modell angewendet werden, welches Duldungen auf einen Zeitraum von maximal 5 Jahren beschränkt, die Ausschöpfung dieses Zeitraums muss, soweit es möglichst ist, verkürzt werden. Das allein reicht uns aber noch nicht. Wir wollen außerdem auf Bundesebene darauf hinwirken, dass Duldungen generell abgeschafft werden und alle hierbleiben können, die das wollen.

b) Wir wollen Kettenduldung unterbinden. Dauerhafte Bleibeperspektiven müssen für alle Menschen, die nach Deutschland kommen, geschaffen werden, und zwar auch unabhängig von ihren Leistungen für die Gesellschaft. Das Essener Modell nutzt nicht alle Möglichkeiten, die das Land bietet und hängt hinter Ansätzen wie dem Kölner Modell hinterher, da es sich nur einen Teil der Menschen in Kettenduldung richtet.

c) Wir werden uns dafür einsetzen, dass eine solche Beratungskommission etabliert wird. Wir fordern, dass der Integrationsrat mit anderen Ausschüssen der Stadt gleichgestellt wird.

4. Essen – ein sicherer Hafen?

Das Sterben im Mittelmeer endet auch in Pandemiezeiten nicht. Bis zum 18. Juni 2020 starben allein dieses Jahr 339 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer. In den vollkommen überfüllten griechischen Lagern leben Geflüchtete unter unmenschlichen Bedingungen und der Gefahr einer massenhaften Infektion.

a) Wird Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass Essen zu einem sicheren Hafen wird und über die rechtlichen Verpflichtungen hinaus Geflüchtete aufnimmt?

b) Soll Essen dem Bündnis sicherer Häfen beitreten, um im Verbund mit anderen Kommunen der Bundesregierung eine Aufnahmebereitschaft zu signalisieren?

c) Sehen Sie auf kommunaler Ebene Ansatzpunkte dem internationalen Seerecht auf Seenotrettung durch die Bundesregierung und die EU Geltung zu verschaffen? Werden Sie sich dafür einsetzen?

a) Ja, wir werden uns für dafür einsetzen Essen zu einem sicheren Hafen zu machen. Seit der Gründung der Initiative vor 2 Jahren wirken wir immer wieder daraufhin, dass Essen dieser Beitritt. Wir haben als Stadt die Verantwortung für Menschen, die auf der Flucht nach Europa sterben.

b) Essen soll dem Bündnis „sicherer Häfen“ beitreten. Gemeinsam mit anderen Kommunen kann so Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden, damit das Asylrecht grundlegend geändert wird (zum Beispiel Aussetzen der Drittstaatenregelung). Bis dahin soll die Stadt Essen sich bereit erklären mehr Geflüchtete aufzunehmen, als sie nach Königsteiner Schlüssel müsste.

c) Wir werden uns natürlich im Rahmen der Möglichkeiten dafür einsetzen, dass Essen nicht nur zu einem sicheren Hafen, sondern auch zu einem sicheren Ort im Sinne des Seerechtes wird. Darüber hinaus werden wir natürlich nicht aufhören gemeinsam mit anderen Städten weiter zu appellieren und Angebote zu schaffen, um Signale zu setzen, dass sowohl die Bundesregierung als auch die EU noch nicht alle ihre Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um Menschen auf der Flucht zu helfen.

Die Linke Essen
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