Das antifaschistische und antirassistische Bündnis Essen stellt sich quer hat uns Wahlprüfsteine geschickt. Hier findet ihr alle Fragen und Antworten.

Antirassismus und Antifaschismus

  1. Wie bewerten sie das bisherige Engagement der Stadt Essen gegen Rassismus und Faschismus?

Das bisherige Engagement seitens der Stadt Essen ist allerhöchstens als mittelmäßig zu bewerten. Durch den Druck von Initiativen wie “Steele bleibt bunt” hat sich der Rat der Stadt im Mai 2019 fast einstimmig gegen die sogenannten “Steeler Jungs” gestellt. Darauf aufbauend haben wir als LINKE ein Handlungskonzept eingefordert, dem konkrete Maßnahmen der Stadt folgen sollten. Spätestens mit dem im Dezember beschlossenen „Handlungskonzept für Demokratie und Vielfalt“ für den Stadtteil Steele gibt es seit Mai eine aktuelle Planung. Dazu gehört auch eine Bestandsermittlung bereits vorhandener Angebote im Stadtteil. Dass dabei die lokalen Initiativen, wie „Steele bleibt bunt“ nicht vorkommen, sondern nur die Aktivitäten der Stadt und stadtnahen Institutionen aufgezählt wurden, hat die Ratsfraktion DIE LINKE in der Ratssitzung im Mai kritisch angemerkt. Wir wollen eine vermehrte Stärkung der Zivilgesellschaft und der Organisationen wie “Steele bleibt bunt”, die sich ohnehin gegen die sogenannten “Steeler Jungs” stellen.

Insgesamt ist die Planung der Verwaltung in vier Bereiche gegliedert. Dabei geht es um die Verzahnung der Aktivitäten in Steele, die Durchführung von Expert*innen-Gesprächen mit Akteur*innen vor Ort, um fachliche Inputs gegen Stammtischparolen und die Durchführung partizipativer Stadtteilaktionen. Diese Ansätze halten wir für richtig. Dass bei den „Expert*innen-Gesprächen“ auch mit Leuten aus dem Umfeld der sog. „Steeler Jungs“ gesprochen werden soll, lehnen wir hingegen entschieden ab. Besser wäre es, Angebote in Richtung Aussteigerprogramme zu machen, als sie in das Handlungsprogramm einzubeziehen. Zur demokratischen Vielfalt in Steele kann diese Gruppierung nichts beitragen, weil sie dieser feindlich gegenübersteht.

Die Stadt Essen muss endlich den Verein Rot-Weiss Essen dazu auffordern, mehr gegen Rechtsextremismus innerhalb der Fanszene zu tun, z.B. in Form von Fanprojekten, als sich davor zu verschließen. Rot-Weiss Essen trägt Verantwortung für das, was im Stadion geschieht und muss entsprechend handeln.

  1. Wie kann für Sie eine konkrete Unterstützung der Bündnisse, Initiativen und Gruppen, die sich gegen Faschismus und Rassismus engagieren, aussehen?

Zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen gehört für uns als LINKE, dass wir Seite an Seite mit allen Antifaschist*innen stehen, wenn faschistische und rassistische Gruppierungen wie die “Steeler Jungs” marschieren. Wir nutzen unsere außerparlamentarischen und parlamentarischen Möglichkeiten, den Kampf gegen Rechtsextremismus zu unterstützen. Dazu gehören natürlich auch die finanziellen Mittel, damit Initiativen wie “Steele bleibt bunt” und “Essen stellt sich quer” ihre Arbeit intensivieren können und sie ihre gesellschaftlich höchst wichtigen Aufgaben auch weiterhin wahrnehmen können.

  1. Wie bewerten Sie die Aufmärsche der „Steeler Jungs“ und anderer, bürgerwehrähnlicher Strukturen in Essen, die nachweisbare Verbindungen in die extrem rechte sowie die Kampfsportszene-Szene pflegen? Welche konkreten Pläne haben Sie, um die Ausbreitung dieser Strukturen in unserer Stadt zu stoppen?

Bürgerwehren sollen nach Ansicht der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion die Anschlussfähigkeit von Rechtsextremisten an die bürgerlich-demokratische Mehrheitsgesellschaft demonstrieren. Sie wollen zeigen, dass der Staat außerstande ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu garantieren und daher seine Legitimation verloren hat. Außerdem sollen Fremde oder politische Gegner durch die Präsenz von rechtsextremistischen ‚Bürgerwehren‘ vor Ort gezielt eingeschüchtert werden. Außerdem können sich innerhalb der als ‚Bürgerwehren‘ auftretenden Gruppierungen Ansätze für rechtsterroristische Potenziale herausbilden. Es scheint ein fließender Übergang vom Aufruf zur Bildung von ‚Bürgerwehren‘ hin zu einem eigenmächtigen Eintreten für Sicherheit und Ordnung abseits des staatlichen Gewaltmonopols oder gar hin zu gewalttätigem Handeln zu sein.

Die “Steeler Jungs” fallen in genau dieses Milieu. Sie speisen sich aus der gewaltbereiten Hooliganszene um Rot-Weiss Essen, sie haben sowohl Verbindungen zu organisierter Kriminalität als auch zu Neonazi und rechtsextremen Netzwerkern wie etwa Dominik Horst Roeseler. Leider sehen wir auch immer wieder einen erfolgreichen Schulterschluss zwischen den “Steeler Jungs” und anderen, teils auch eher bürgerlichen Gruppierungen. Ein Beispiel hierfür war die Bikerdemo am 05. Juli 2020 an der Grugahalle, die in Anlehnung an den bundesweiten Aktionstag gegen Fahrverbote am Vortag stattfand und darauf eindeutig Bezug nahm.

Deshalb muss gegen die “Steeler Jungs” also mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln vorgegangen werden. Es darf nicht hingenommen werden, dass aufgrund der öffentlichen Präsenz solcher Schlägertrupps Angstzonen für Andersdenkende oder Migrant*innen geschaffen werden. Dazu bedarf es – neben antifaschistischem Widerstand überall dort, wo diese Gruppierungen auftreten – einer Investitionsoffensive, um Hetze gegen Geflüchtete und Migrant*innen den Boden zu nehmen: bezahlbare Wohnungen, gute Bildung und sichere Arbeitsplätze. Grade Bildungs- und Stadtteilarbeit muss gefördert werden, beispielsweise mit mehr Streetworker*innen, Programmen an Schulen und sicherer Finanzierung der antifaschistischen Arbeit von etwa “Essen stellt sich quer” und “Steele bleibt bunt”. Rassismus beginnt im Kopf. Dem wollen wir so entgegenwirken.

Asyl und Abschiebung

  1. Würden Sie sich im Stadtrat für eine Verminderung/Aussetzung von Abschiebungen in unsichere Länder (wie z.B. nach Afghanistan) aktiv einsetzen?

Ja. Abschiebungen lehnen wir ab. Insbesondere Abschiebungen in Kriegsgebiete, oder Gebiete mit existenzieller Not wie Obdachlosigkeit, mangelhafter medizinischer Versorgung oder Diskriminierung wird auf unsere stete Gegenwehr stoßen. Außerdem fordern wir ein Bleiberecht für alle Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, spätestens, wenn sie fünf

Jahre in Deutschland leben. Die Praxis der sogenannten Kettenduldungen wollen wir zugunsten von dauerhaften Perspektiven abschaffen.

  1. Würden Sie sich im Stadtrat aktiv für eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen einsetzen?

Ja. Wir wollen die Unterbringung von Geflüchteten in Massenunterkünften beenden und dezentral organisieren. Damit wird sowohl Integration erleichtert, also auch der Stigmatisierung von Standorten mit Massenunterkünften vorgebeugt. Außerdem können die vielen Problemstellungen in Massenunterkünften bei dezentraler Unterbringung besser angegangen werden.

  1. Wie stehen Sie zur Forderung, die „Zentrale Ausländerbehörde“ wieder in die Innenstadt zurück zu holen?

Wir als LINKE lehnen die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) ab. Diese Behörde hat einzig und allein das Ziel, das „Rückkehrmanagement“ zu beschleunigen, d.h. schnelle Abschiebungen zu organisieren. Wir sagen: Die Zentrale Ausländerbehörde darf nirgendwo Platz in Essen haben.

  1. Sollte die Stadt Essen Ihrer Meinung nach „sicherer Hafen“ im Sinne der Initiative „Seebrücke“ werden?

Ja. Denn zu einem friedlichen Zusammenleben gehört Anteilnahme am Schicksal anderer Menschen. Mehr als 20.000 Menschen sind seit 2015 im Mittelmeer ertrunken. Dort wird mit der verweigerten Seenotrettung jeden Tag Völkerrecht gebrochen. Es ist geradezu erbärmlich, dass der Beitritt Essens zur bundesweiten Bewegung „Seebrücke“ seit Jahren von einer CDU-geführten Ratsmehrheit verhindert wird. Als Ratsfraktion DIE LINKE haben wir bereits mehrere Anträge zu dem Thema gestellt und die Initiative “Seebrücke” aktiv unterstützt.

Polizei

  1. Wie stehen Sie zu den aktuellen Vorwürfen rassistisch motivierter Polizeigewalt durch die Essener Polizei?

Für uns als LINKE ist klar, dass demokratische Institutionen wie die Polizei nicht pauschal von Fehlern und Missständen freigesprochen werden sollten, sondern steter Kontrolle und Kritik bedürfen. Gleichzeitig lehnen wir auch Pauschalverurteilungen von Einsatzkräften ab, nicht aber den Vorwurf von institutionellem Rassismus bei der Polizei. Die Debatte über Rassismus bei der Essener Polizei ist in den letzten Jahren aufgrund einiger fragwürdiger Vorfälle entbrannt und muss sehr ernst genommen werden. Es kann nicht sein, dass die rassistischen Ausschreitungen einiger Beamter ohne Folgen bleiben und die Opfer nicht mehr wissen, an wen sie sich wenden sollen. Institutioneller Rassismus bei der Polizei ist in Essen ein Problem, vor dem wir die Augen nicht verschließen dürfen.

Hierbei geht es nicht nur um individuelles Fehlverhalten einzelner rassistischer Polizeibeamter oder gar um Aktivitäten von faschistischen Zellen in der Polizei, wie sie in den letzten Jahren mehrfach enttarnt und stets als Einzelfall verharmlost wurden. Mit institutionellem Rassismus werden vielmehr gesellschaftliche Strukturen der systematischen Ausgrenzung, Entmenschlichung, Benachteiligung und Gewalt als Rahmen für das Agieren der einzelnen Polizist*innen bezeichnet. Hier ist in erster Linie die Praxis des Racial Profiling zu nennen. Gemeint sind Maßnahmen von Polizei und anderen Sicherheitsbehörden wie Identitätskontrollen, Befragungen, Überwachungen, Durchsuchungen und Festnahmen, die nicht auf einem konkreten Verdacht, sondern allein aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe oder vermuteter Herkunft erfolgen. Solche diskriminierenden Kontrollen, die bei den Betroffenen Gefühle der Ohnmacht, Wut und Verzweiflung auslösen können, sind für Millionen Menschen in Deutschland eine Alltagserfahrung. Racial Profiling wird von vielen Betroffenen als eine Form von Gewalt erlebt, die zu langandauernden psychischen Belastungen führen kann. Diese Polizeipraxis verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Grundgesetz sowie das in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der internationalen Anti-Rassismus-Konvention enthaltene Verbot rassistischer Diskriminierung. Die tödlichen Folgen von institutionellem Rassismus auch in Deutschland hat die bundesweite Kampagne „Death in Custody – Aufklärung von Tod in Gewahrsam jetzt!“ publik gemacht. Die Liste umfasst 159 Todesfälle durch Polizeischüsse, unterlassene Hilfeleistungen und Todesfälle in Gewahrsam, die von den Behörden als „Suizid“ angegeben wurden.

  1. Was halten Sie von verstärktem Anti-Rassismus-Training, um „Racial Profiling“ und anderes, rassistisch motiviertes Handeln zu verhindern?

Wir als LINKE denken, dass die Polizei gut daran täte, selbstkritisch die eigene politische Verantwortung zu reflektieren, anstatt in der aktuellen Diskussion die Kritik an Rassismus in Polizei und Justiz pauschal zurückzuweisen. Ein verpflichtendes Antirassismus-Trainings für alle Mitarbeitenden der Sicherheitsbehörden und der Justiz würde die Professionalisierung der Polizeiarbeit, Transparenz und die Übernahme von Verantwortung stärken. Wichtig ist zudem, dass Bund und Länder unabhängige Beschwerdestellen einrichten, an die sich Betroffene rassistischer Übergriffe wenden können.

  1. Wie bewerten Sie die Vorwürfe, die Polizei habe in der Vergangenheit zu wenig gegen die sogenannten „Steeler Jungs“ getan, bzw. sich in einzelnen Punkten sogar mit ihnen solidarisiert?

Wir halten diese Vorwürfe für durchaus berechtigt. Besonders negativ hervorgestochen ist hierbei das Foto eines Essener Polizisten mit den “Steeler Jungs”. Daneben gab es in der Vergangenheit aber auch einige weitere Punkte, die zweifelhaft waren. Sei es das Vorenthalten von Informationen über einen rechtsradikalen Demonstrationszug in der Essener City, Polizeigewalt gegen friedliche Demonstrant*innen, oder das Verbieten von linken Versammlungen und Demonstrationszügen. Die Essener Polizei zeigt nicht gerade

ein vorbildliches Handeln im Kampf gegen Faschist*innen. Hinzu kommen diverse Vorgehensweisen der Essener Polizei, die selber rassistisch gedeutet werden können.

  1. Wie beurteilen Sie das Verhalten der Polizei bei den Aufmärschen der „Steeler Jungs“, bei denen die Gegendemonstrant*innen oftmals hinter Absperrungen protestieren müssen, während die „Steeler Jungs“ sich weitestgehend frei durch den Stadtteil bewegen können? Welche Einflussmöglichkeiten sehen Sie hier?

Dieses Vorgehen halten wir als LINKE für höchst problematisch, weil antifaschistisches Engagement nicht kriminalisiert werden darf. Einerseits suggeriert es für Außenstehende, dass der demokratische Gegenprotest gefährlicher oder problematischer sei als die marschierenden Neonazis. Andererseits stärkt die Polizei die Argumentation der sog. “Steeler Jungs”, dass diese bloß spazieren würden.Polizei und Stadt Essen müssen alle Möglichkeiten nutzen, um deutlich zu machen, dass rechte Veranstaltungen in Essen nicht erwünscht sind. Dafür werden wir auf der Straße aber auch als zukünftige Fraktion im Stadtrat weiter kämpfen.

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